Hallo liebes Forum, nach über zwei Jahren Abstinenz melde ich mich anlässlich des Release von "Forgotten Stories" mal wieder zurück, weil ich dem immer sehr freundlichen Entwicklerteam gern etwas Feedback geben wollte!
(Es folgt ein seeeehr langer Text)
Ich habe Enderal (den Original-Release) damals zwar angespielt, bin aber nie über Flusshaim hinausgekommen. Ich weiß rückblickend gar nicht mehr genau, woran es lag, aber ich glaube es war eine Mischung aus Zeitmangel und RPG-Übersättigung, die sich bei mir nach dem Durchspielen von Witcher 3 eingestellt hatte. Jedenfalls wurde dann irgendwann der DLC angekündigt und ich beschloss, bis zum Release des Komplettpakets zu warten, bevor ich mich nochmal an Enderal wage.
Ich muss sagen, diesmal hat es mich irgendwie mehr gepackt als beim ersten Mal. Ich bin zwar noch immer nicht über Flusshaim hinausgekommen, dennoch macht es mir diesmal sehr viel mehr Spaß. Vor allem der Einstieg ist atmosphärisch noch immer sehr dicht gelungen, mir sind aber auch einige Verbesserungen gegenüber der Originalversion aufgefallen. Der Anfangsdialog mit Jespar wurde scheinbar neu geschrieben und ich finde, dass es jetzt wesentlich natürlicher klingt. In der alten Variante klang Jespar eher wie ein Uniprofessor, das passte irgendwie nicht ganz. Außerdem hab ich das Gefühl, dass der Dialog jetzt kürzer und knackiger ist, was mir wesentlich besser gefällt. Da ich in storybasierten Spielen viel Wert auf Dialoge lege, ist sowas für mich ein echter Atmosphäregewinn!
Auch meine ich, dass Yeros Briefe früher nicht vertont waren. Es ist erstaunlich, aber diese neue Vertonung ist nicht nur richtig gut gelungen, sondern wertet diese Quest irgendwie enorm auf (auch wenn ich die Sache mit den Schlössern in Yeros Keller immer noch nervig finde). Ich hätte vorher nicht gedacht, dass eine Vertonung so viel ausmachen kann. Ich finde es jedenfalls klasse, dass es euch gelungen ist, mit so kleinen, aber feinen Veränderungen das Spielerlebnis so aufzuwerten.
Generell gefällt mir die Hauptquest bislang sehr gut. Der Prolog ist ein kleines Meisterstück der Erzählkunst und Inszenierung, speziell die Eingangssequenz mit Vati. Ich hoffe, dass es im Spielverlauf noch mehr von solchen Momenten geben wird. Nach der Begegnung mit Jespar nimmt der Spannungsbogen der Mainquest aber doch deutlich ab, was vielleicht auch ein Grund war, weshalb sich damals die absolute Begeisterung nicht so ganz einstellen wollte. Ich finde aber, dass es euch eigentlich ganz gut gelingt, das mit Erkundungsanreizen zu kompensieren. Außerdem benötigt eine gute Geschichte zwischendurch auch ruhigere Momente, von daher ist das lediglich als Anmerkung, aber nicht als Kritikpunkt zu verstehen.
Ansonsten hab ich in den gut 30 Stunden Spielzeit, die ich bisher hinter mir habe, vor allem damit verbracht, die Sonnenküste zu erkunden. Vieles kannte ich schon, manche Ecken hatte ich beim ersten Mal aber nicht so gründlich unter die Lupe genommen. Gestern war ich zum ersten Mal auf Schloss Goldfurt und ich muss sagen, dieses Schloss ist richtig gelungen, sowohl der Außenbereich als auch die Interiors. Generell gefällt mir der äußerste Südwesten der Map sehr gut, mit dem Schloss, der Piratenhöhle und Alt-Sherath, das ich damals schon sehr schön fand und immer noch mein Lieblingsdungeon an der Sonnenküste ist.
Insgesamt ist das World-Design gelungen. Auch das Startgebiet bis hinunter zur Dreiflusswacht ist sehr gelungen, genauso wie der kleine Abschnitt östlich von Flusshaim (mit der Höhle, in der dieser Auradieb wohnt), den ich bei meinem ersten Durchgang auch noch nicht kennengelernt hatte. Trotzdem ein kleiner Kritikpunkt: Ich finde, dass der Weg zwischen Dreiflusswacht und Flusshaim ziemlich lang ist und irgendwie wenig Highlights zu bieten hat. Die reine Flugdistanz zwischen diesen beiden Orten ist zwar nicht so groß, aber komischerweise wird man auf einer eigentlich recht flachen Strecke ständig in Schlangenlinien durch die Landschaft geführt. Da es auf diesem Abschnitt eigentlich keinerlei interessante Schauwerte gibt, kommt mir diese Streckenführung wie unnötige Spielzeitstreckung vor. Aber gut, das ist jetzt Kritik auf hohem Niveau, denn alles in allem gefällt mir die Welt wirklich sehr gut.
Die Dungeons sind bislang abwechslungsreich, wenn auch von leicht schwankender Qualität. Es gibt echte Highlights (der Start-Dungeon, Alt-Sherath, Schloss Goldfurt), aber auch ein paar Dungeons, die ich ein bisschen wie Lückenfüller wirken (Alter Stollen, Schimmernde Mine, Zerstörtes Gehöft). Insgesamt sind sie aber sehr gelungen.
Zu den neu hinzugefügten Klassen kann ich nur wenig sagen. Der Phasmalist interessiert mich irgendwie überhaupt nicht, und den Lycanthropen finde ich interessant, bislang habe ich aber vor allem auf Infiltrator und Gauner geskillt, wollte wahrscheinlich noch Vagabund dazunehmen (also ein klassischer Schurke) und ich bin mir nicht sicher, ob es Sinn macht, noch einen vierten Baum dazuzunehmen. Ich erinnere mich, dass es beim Original hieß, man solle sich auf maximal drei Bäume konzentrieren, hat sich das in Forgotten Stories geändert? Jedenfalls bin ich mir unsicher, wie gut sich der Lycanthroph mit einem Schurkencharakter spielt.
Noch ein paar Anmerkungen zu den Nebenquests: Im Gegensatz zur interessanten Hauptquest und der größtenteils sehr hübschen Spielwelt, die zum Erkunden einlädt, konnten die mich bislang irgendwie nicht richtig vom Hocker hauen. Keine der Nebenquests in und um Flusshaim konnte mich so richtig mitreißen. Die Quest um die Frau des Bürgermeisters war noch ganz ok, aber irgendwie hat mir ein wenig der Bezug zu den Personen gefehlt, als dass mich die Story, die wohl sehr auf die Tränendrüse des Spielers drücken soll, wirklich berühren konnte. Die Quest um den Auradieb war stellenweise ganz witzig, mehr aber auch nicht. Die übrigen Nebenquests brauche ich eigentlich gar nicht erwähnen, weil sie mich komplett kalt gelassen haben. Ich hoffe, dass es im Verlauf des Spiels noch ein paar interessantere Nebenquests geben wird. Vor allem auf das Forgotten-Stories-Material bin ich in dieser Hinsicht sehr gespannt.
Insgesamt gefällt mir die neue Enderal-Version bisher sehr gut. Ihr habt wirklich viel richtig gemacht, das verdient ein dickes Lob.

Ein 90er-Titel ist es für mich aufgrund der genannten Kritikpunkte bisher noch nicht (eher eine 85 bis 88), aber was nicht ist, kann ja noch werden, schließlich habe ich zwar schon über 30 Stunden Spielzeit, aber bislang eigentlich kaum was von der Mainquest erlebt, und der neue FS-Content, dem ich bisher begegnet bin, ist ja auch minimal. Als Nächstes steht bei mir endlich der Weg nach Ark an. Ich bin gespannt, wie diese Stadt, die ich nach all der Zeit immer noch nicht zu Gesicht bekommen habe, mir gefallen wird und werde dann gerne wieder davon berichten.
Wie seht ihr das? Teilt ihr meine Kritikpunkte oder habt ihr vielleicht eine ganz andere Meinung?