Cane wrote:Warum definierst du ein Spiel so dermaßen eng? Muss man alles gewinnen? Dein reales Leben kannst du auch nicht gewinnen
Nein, man muss nicht alles gewinnen können. Ich sprach von Spielen. Mein Leben ist kein Spiel. Mein Leben ist auch keine Geschichte. Weder durchlaufe ich eine Heldenreise, noch gibt es einen Spannungsbogen, einen Antagonisten, einen zentralen Konflikt oder einen dramaturgischen Höhepunkt. Zumindest bisher nicht. Aber wenn ich jetzt eine Geschichte ohne Spannung und zentralen Konflikt und das alles schreibe, in der ich einfach nur meine täglichen, langweiligen Arbeiten schildere: Wäre es dann nicht gerechtfertigt, mir vorzuwerfen, dass die Geschichte eben spannender hätte sein können? Und das Argument, so sei nun mal das reale Leben, nicht gelten zu lassen? Und so sehe ich es auch mit Spielen. Ja, ich kann welche machen, bei denen man nicht gewinnen kann. Kann mich keiner dran hindern. Ich bin mir nur nicht so sicher, ob ich mich damit nicht ein Stück weit selbst sabotieren würde.
Das Argument "im Leben ist aber nun mal so und so" finde ich also nicht sonderlich tragfähig.
Und hier ist es notwendig, die zwei Ebenen "Story Telling / Writing" und "Umsetzung" zu differenzieren[...]
Und genau deswegen habe ich das bereits in meinem ersten Post getan. Da habe ich bereits dargelegt, dass es immer auch eine erzählerische Komponente gibt und die auch wichtig ist. Und dass Leute, denen der Spielaspekt nicht so wichtig ist und die nur eine Geschichte erzählt bekommen wollen, das vermutlich alles nicht so schlimm finden werden. Dass es aber eben auch andere Leute gibt (mich zum Beispiel), die es anders sehen und erstmal grundsätzlich gerne eine Chance haben wollen, anstatt sich hinterher ein wenig veralbert zu fühlen. Und es mich zweitens auch lange nicht so emotional mitnimmt, also für mich
auch die erzählerische Ebene darunter leidet. Und für diese Meinung darf ich mich nun rechtfertigen.
Irgendwie verstehe ich die Diskussion sowieso nicht mehr. Ich habe versucht, vom grundlegenden Prinzip ausgehend, darzulegen, warum gewisse Designentscheidungen aus meiner Sicht nicht optimal waren. Und irgendwie stimmt mir jeder zu, während mir gleichzeitig jeder widerspricht. Ja, eigentlich müsste man mehr Einfluss auf das Ergebnis haben. Aber Einfluss auf das Ergebnis haben dürfen (aka Gewinnen) muss ja gar nicht sein. Wie kann ich es wagen, das zu schreiben? Da komme ich irgendwie nicht mehr mit.
Ich versuche es noch einmal von Adam und Eva aus herzuleiten und dann gebe ich's auf.
Meine Analyse basiert auf einer grundlegenden Frage: Warum spielt man? Und wie entscheidet man, was man im Spiel macht? Wenn es kein Ziel zu erreichen gibt, keine Aufgabe zu bewältigen, kein Problem zu lösen gibt, was soll ich - jetzt im Rollenspiel - meine Figur dann eigentlich machen lassen? In der Nase bohren? Das macht doch keinen Sinn. Ich muss doch eine Aufgabe haben. Ein Ziel. Und erst dann kann ich mir überlegen, mit welchen Maßnahmen ich da hin komme. Und die ergreife ich dann. Vorher kann ich doch noch gar nichts sinnvolles machen.
Ich gehe jetzt mal davon aus, dass niemand diese ziemlich offensichtliche Tatsache verleugnen wird. Die Frage ist jetzt nur: Was ist, wenn, wie bei Enderal, ein Ziel gesetzt wird, von dem sich später herausstellt, dass es von Anfang an unerreichbar war. Und erst hier kommen wir meiner Ansicht nach an den Punkt, an dem man über Meinungen und nicht Tatsachen reden kann. Weil wir jetzt über Bewertungen und Gefühle reden.
Und da kann man natürlich der Auffassung sein, dass es nicht so tragisch war, denn vielleicht wurde man ja trotzdem gut unterhalten. Was ich übrigens nicht bestreite. Ich
wurde von Enderal gut unterhalten. Habe ich auch schon mehrfach geschrieben. Man kann es aber auch ein wenig (nur ein klein wenig!) kritischer betrachten.
Unter anderem, weil meine Aktionen erst durch ihre Konsequenzen wirklich Bedeutung erlangen. Anhand von Erfolg oder Misserfolg kann ich beurteilen, wie gut ich das Spiel gespielt habe. Ist das nicht möglich, weil letztlich immer alles gleich abläuft, egal, was man macht, dann ist auch letztlich jede Handlung genauso gut oder schlecht wie jede andere. Spätestens beim zweiten Durchgang (Stichwort Wiederspielwert) weiß ich dann, dass man mich im Grunde auch durch einen Zufallsgenerator ersetzen könnte. Weil ich ja gar keinen Einfluss habe. Und das nimmt dann eben den Spaß aus der Sache, den man normalerweise durch das Lösen einer kniffeligen Aufgabe empfinden würde.
Was mich zum nächsten Grund bringt, aus dem es nicht so toll ist. Weil ein weiterer Aspekt wegfällt: Der der emotionalen Rückkopplung.
Wenn ich eine Aufgabe lösen soll und es schaffe, dann vermittelt mir das ein Erfolgserlebnis. Und wenn ich es nicht schaffe, fühle ich mich entsprechend schlecht. Wenn das Spiel in sich logisch und stimmig ist und ich mich gut in meinen Charakter hinein versetze und seine Rolle ausspiele, dann werde ich dafür belohnt. Weil ich die richtigen Lösungen finde und Erfolg habe (aka gewinne). Und wenn ich es nicht gut mache und mich nicht gedanklich und emotional einbringe, erhöht das mein Risiko zu scheitern und ich werde emotional "bestraft", weil das Erfolgserlebnis ausbleibt. Man kann jeden beliebigen Film bis zum Ende gucken, ohne ihn verstanden zu haben. Bei einem guten RPG sieht die Sache etwas anders aus. Wowereit.
Bin ich dann erstmal emotional eingebunden, nimmt mich auch die Geschichte mehr mit. Ich fühle mich direkter involviert und betroffen. Deswegen finde ich auch, dass Story und Entscheidungsfreiheit im Spiel nicht zwangsläufig in Konflikt miteinander stehen müssen. Das ist mehr so eine Hassliebe zwischen den beiden. Mal behindern sie sich gegenseitig, aber manchmal verstärken sie einander auch.
Das alles funktioniert aber nur, weil ich tatsächliches Feedback in Form von Erfolg und Misserfolg bekomme. Ohne das (und auch das hatte ich bereits geschrieben) fehlt dann auch ein Stück weit der emotionale Bezug. Und das bewerte ich als schon ein wenig schade.
Warum es so falsch sein soll, das mal als Denkanstoß für die Zukunft abzusetzen, verstehe ich nicht. Ressourcen sind immer endlich und bei nicht-kommerziellen Projekten ohnehin knapper als anderswo. Aber vielleicht kann man sich ja die Prioritäten nochmal angucken. Ich bin halt auch bereit, dafür auf andere Dinge zu verzichten. Vielleicht müssen es dann doch keine 5 Klimazonen sein, vielleicht reichen ja auch 3. Vielleicht kann der eine oder andere nicht questrelevante Dungeon ja auch erstmal wegfallen und dann, wenn doch noch Zeit ist, per Patch nachgereicht werden. Ob ich damit am Ende alleine stehe, muss man sehen. Erfahren werden wir's aber nur, wenn man die Debatte zulässt.