Nunja, dass viele Indies insolvent gehen liegt eben an der Tatsache, dass das Projektmanagement nicht gut funktioniert. Insbesondere machen Teams die Fehler:
- Sie rekrutieren zu viel (=zu hohe Gehaltskosten) oder zu wenig (=zu hoher Workload pro Person) Personal
- Sie haben keinen klaren Ablauf der Entwicklung geplant (was muss zuerst entwickelt werden, klare Verteilung der Aufgaben innerhalb des Teams, klare Trennung der Arbeitsbereiche, welche Aufgaben können simultan bearbeitet werden, Leerlauf von Mitarbeitern vermeiden etc.)
- Sie verkalkulieren sich grundsätzlich bei den Ausgaben bzw. unterschätzen diese
Es ist immer wieder traurig mit anzusehen, wenn Indieentwickler zu Kickstarter kommen, ein extrem ambitioniertes Projekt umsetzen wollen und dann sagen "Hey, wir brauchen minimal nur 100.000$ für die Entwicklung des Spiels". Das ist einfach unrealistisch und daran scheitern die Entwickler dann meistens, wenn es nicht mehr wird. Deshalb ist es wichtig von Anfang an eine gute und vor allem transparente Kalkulation zu haben, die man dann auch in der Kickstarterkampagne erwähnt. Bei Pillars of Eternity lag das Mindestbudget beieispielsweise bei 1.100.000$, bei Kingdom Come bei nur 300.000$ (hier waren allerdings einige Aufgaben bereits vor der Kampagne erledigt oder zumindest zum Teil fertig gestellt). Man muss halt realistisch bleiben und sagen: Wenn wir diese Summe nicht kriegen, können wir das Projekt so nicht umsetzen. Zumal man nicht vergessen darf, dass man zusätzlich zur Kickstarterkampagne auch nachträglich einen Publisher aufsuchen kann. Inti Creates (Entwickler von Mighty No. 9) haben beispielsweise einige Monate nach Abschluss der erfolgreichen Kickstarterkampagne den Publisher Deep Silver an Land ziehen können. Mighty No. 9 ist zwar vor kurzem erschienen, allerdings leidete die Qualität extrem unter dem Projektmanagament (zu viel Personal rekrutiert, zu wenig Organisation innerhalb des Teams etc.).
Bezüglich Personal: Das wichtigste habt ihr, nämlich eine Person, die dazu in der Lage ist, ein Projekt zu leiten und dieses bis zum Ende durchzuziehen. Ihr seid euch auch darüber im klaren, was ihr alles bräuchtet, wenn ihr ein komplett eigenes Spiel entwickeln würdet und wie lange so eine Entwicklung ca. an Zeit benötigt. Und da ihr eine sehr positive Reputation habt, sollte es auch möglich sein, fähige Mitarbeiter ins Boot zu holen. Ihr wisst was ihr braucht.
Man darf hierbei auch nicht vergessen, dass es kein OpenWorld Spiel wie Skyrim/Enderal/Witcher 3 sein muss. Ein Gothic 1 oder 2 beispielsweise hatte eine deutlich kleinere Welt, alles war kompakter und es gab deutlich weniger Sidequests. Das hat diesen Spielen aber nicht schlecht getan (das deutlich größere Gothic 3 war ja beispielsweise nur ein Schatten seiner Vorgänger). Wenn ein Spiel in der Größenordnung wie Enderal eben nicht mit einem üblichen Budget von Kickstarter zu bewältigen ist, dann kann man das Projekt ja runterskalieren, sodass es mit entsprechendem Budget von 1-2 Millionen umsetzbar wäre.
Und was die Fanbase angeht: Die ist schon wichtig für den Erfolg einer Kickstarterkampagne. Mighty No. 9 hat über 4 Millionen erhalten, weil es von Megaman Fans unterstützt wurde und Pillars of Eternity konnte insbesondere Baldurs Gate Fans überzeugen. Ihr hingegen habt aber eine direkte Fanbase, die euch und eure Produkte kennt und weiß, dass ihr Qualität abliefern könnt (und sie nicht nur versprecht). Eine hohe Summe sollte auf Kickstarter also aufgrund dieser Voraussetzungen möglich sein.
Wie gesagt: Ich traue es euch zu, selbst wenn es ein größeres Projekt wäre. Durch eure Erfahrung, eure Fanbase und eurer Reputation (also allgemein euren Voraussetzungen) habt ihr bessere Karten als ein Großteil der anderen Indies, die auf Kicktstarter unterwegs sind/waren. Und es gibt ja sogar positiv-Beispiele von Teams, die diese Voraussetzungen nicht erfüllt haben und dennoch sehr erfolgreich sind (siehe Stonehearth: perfektes Projektmanagement, keinerlei Probleme in der Entwicklungs, obwohl kein Publisher dazugezogen wurde).
Aber falls ihr der Meinung seid, dass ihr euch das gar nicht zutraut, will ich nicht weiter drauf eingehen und euch damit in Ruhe lassen. Es sollte lediglich als Ermutigung gelten, es euch zu trauen.
