Das Ende des Spiels - Anmerkungen und Kritik (SPOILER ^^)

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elikal
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Ok, also nun habe ich endlich auch das Ende erlebt, und weiss nicht so ganz, was ich davon halten soll.

Also gut, erstmal das Gute vorweg. Ich fand im Ganzen Enderal ein sehr gutes Spiel. Müßte ich es bewerten, würde ich wohl 7/10 vergeben. Ich ignoriere dabei einfach mal die Bugs und denke mir das Spiel, wie es im gepatchten finalen Stand sein dürfte. Die Gestaltung der Welt, die Charaktere, die Hintergrundgeschichte der Welt, die Stimmen, das alles ist klar auf Triple AAA Niveau und übertrifft etliche Spiele, die man bezahlen muss. Insofern, weil ich nix bezahlen musste, habe ich natürlich keinen Grund mich zu beklagen, daher meine folgende Kritik auch eher als Feedback.

Es gibt drei große Elemente, die mir, das muss ich sagen, gar nicht gefallen haben: das Ausmaß an "Düsternis" der Story, die Vorhersehbarkeit des Plots und die beiden Enden.

1) Die Düsternis der Story
Also, ich erwarte von einem Spiel ja nicht, dass man sich quasi im Glücksbärchi-Modus bewegt. Aber, dass im Verlauf der Story so viele Hauptcharaktere sterben (vor dem Ende, das ich extra abhandle), und SO viele Charaktere eine super düstere Story haben, das fand ich einfach zu extrem. Ich betreibe Gaming, das gebe ich zu, durchaus eher als Eskapismus. Ich tröste mich über das Übel des Real Life mit einem schönen Spiel. Das kann auch streckenweise düster sein, deprimierende Elemente und Kapitel beinhalten. Bei so Stories wie Ryneus (dem verkrüppelten Kind), da war ich aber echt kurz davor aufzuhören, weil ich dachte, boah, nee, das muss ich mir nicht weiter geben. Das war echt über ein paar Grenzen gegangen, die ich nicht mehr als "Unterhaltung" ansehe, sondern als seelische Zumutung. Auch die "häusliche Gewalt" in dem brennenden Haus und ein paar andere Szenen waren einfach over the top seelische Grausamkeit, die ich jetzt in Spielen so eher nicht um die Ohren gehauen bekommen möchte.

Hier war es vor allem die echt grausame Unabänderlichkeit all dieser Ereignisse, die mich als Rollenspieler auch einfach total frustrierte, und sich eher wie ein Kinoflim anfühlte. Wenn man allen krassen Plot-Twists in einem Spiel wie eine Marionette ausgeliefert ist, dann komme ich als Spieler eines RPG mir doch etwas veralbert vor, weil die schlechten Wendungen letztlich alle wie vorgezeichnet ablaufen. Wenn die schlechte Wendung wenigstens meine WAHL gewesen wäre, oder Ergebnis meines Versagens, das ich hätte anders machen können, wäre es leichter erträglich gewesen. Hier aber fliegt mir eine Scheisse nach der anderen um die Ohren und ich bin zum ohnmächtigen Zuschauer-Dasein verdammt. Ich fühlte mich hinterher durch die Story und ihre ja fast nihilistische Stimmung am Ende echt ausgelaugt und erschlagen, trotz der schönen Welt, und nicht primär unterhalten oder aufgebaut.


2) Die Vorhersehbarkeit
Es ist immer schlecht, wenn zwischen dem Wissen oder Ahnen des Spielers, und dem was der eigene Charakter sagen kann, eine Differenz besteht. Ich habe vor Jahren mal versucht, einen Krimi zu schreiben, und gab es auf, weil meine Test-Leser meist den Plot ahnten. Das ist bei Spielen natürlich extrem schwer zu vermeiden, gebe ich zu, hier aber wiegt es besonders krass, weil das Ende total unabwendbar ist. Als Spieler habe ich also eine Ahnung, eine Einsicht, laufe aber dennoch unabwendbar auf den Untergang zu, was gerade das düster Ende extrem schwer verkraftbar macht. Womit wir beim dritten Punkt sind.


3) Das Ende/Die Enden
Ich fasse die Enden mal zusammen, weil ob man sich opfert oder flieht macht netto ja keinen Unterschied. Wie ich schon sagte, es sitzt bei mir vor allem deshalb besonders übel, weil ich es schon voraus sah. Die Hohen waren sehr augenscheinlich nicht in der Lage, irgendwie direkt in der Welt zu handeln. Da kroch in mir die Einsicht, dass die Maschine genau ihren Zwecken dient, eigentlich sehr früh ein. Umso schlechter fühlte es sich an, wenn mein Charakter nie Fragen stellen konnte, nur um das Spiel auf das EINE Ende der Zerstörung von Enderal hinzuführen. Das empfand ich schon als ziemliche krasse Kombination: das Railroading zu einem Ende und die Ahnung die ich lange vorher schon hatte.

Ich erwarte letztlich schon gerade von Rollenspielen, dass mein Verhalten quasi einen Impact hat, eine Wirkung. So gesehen hat nichts, was ich auf Enderal getan habe, irgend einen Effekt, weil Enderal in jedem Fall zerstört wird. Wäre nur der eigene Char tot, ok. So aber fühlte ich mich einfach um all die Mühen betrogen, ehrlich gesagt. Ob ich Leute rettete, oder verdammte, ob ich half oder nicht, nichts spielt eine Rolle, alle sind so oder so tot. Das erinnert mich ganz schlimm an ein RPG namens Fable (nicht das von Peter Molyneux), in dem man am Ende eines tollen Fantasy-RPGs feststellt, dass man verrückt ist und sich alles nur eingebildet hat. Solch eine totale Entwertung des eigenen Tuns in einer RPG Welt ist einfach kein Spass.

Da kann ich mir einen Kommentar doch nicht verkneifen. Kann es sein, dass die immer schlechtere Welt-Lage hier bei den Machern eine Rolle gespielt hat? Teilweise hatte ich das Gefühl einem "Social Justice Warrior" Werbespiel zuzusehen. Gier und Streit sind böse, Fleisch essen ist böse, Religion ist böse, Heldentum ist böse (was Jespar dauernd sagt). Man bekommt ja doch reichlich eine ganz bestimmte Welt-Sicht aufgetischt, grundlegend nihlistisch (nichts hat einen Sinn) und teilweise sehr nach "Gutmenschentum" ausschauend. Es ist Machern natürlich unbenommen, in ihren Spielen "Lehren zu erteilen", gerne habe ich das in Spielen aber jetzt nicht unbedingt.

Im Ganzen herrscht am Ende Ratlosigkeit. Die Welt geht so oder so unter, nichts was ich tue spielt eine Rolle, ich bin nichtmal real sondern nur eine Illusion. Wer noch keine Depressionen hat, der kann hier eine einfangen. Für labile Menschen mit Suzuidneigung jedenfalls kein Spiel, das man empfehlen sollte. Ein technisch und Welt-Design mäßg gutes Spiel, das vor den gerailroadeten und total nihilistischen Story reichlich runter gezogen wird. Wen solch ein Ende zufriedenstellen soll, erschließt sich mir nicht ganz.


PS: Wer die Frau in schwarz sein sollte, und was der Sinn des immer wiederkehrenden Hauses sein soll, in dem Leute brennen und wo "Vati" Holz hackt, das habe ich nicht so ganz verstanden. ?__?
Caleb8980
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Sehr langer und schöner Beitrag - deshalb schonmal hier :thumbsup:

Was du dir zunächst natürlich vor Augen halten musst, ist das Enderal kein AAA Spiel ist - und es sich deshalb auch erlauben kann zu polarisieren :wink: Enderal soll keine "ich rette die Welt und alles wird gut" Story sein, es gibt in Enderal kein Gut oder Böse.

Zu den Enden: hast du schon mal Deus Ex gespielt? Das ist ganz ähnlich wie in Enderal, es gibt keine "richtige" Entscheidung; das von dir genannte Fable ist mit seinen 3 Entscheidungen (auch wenn Wohlstand ziemlich sinnlos ist) auch in der Schiene.

Ein anderes Spiel wäre Spec Ops: The Line und um mal einen Bogen zu der Düsterheit zu schlagen - gegen SOTL ist Enderal ein Ponyhof ;-)

mehr als "Unterhaltung" ansehe, sondern als seelische Zumutung.
Und genau das will Enderal - bzw. um es klarer auszudrücken Enderal will nicht "nur" unterhalten - es will zum Nachdenken anregen. Das muss dir nicht gefallen, das ist aber auch nicht Sinn und Zweck.

Da kann ich mir einen Kommentar doch nicht verkneifen. Kann es sein, dass die immer schlechtere Welt-Lage hier bei den Machern eine Rolle gespielt hat? Teilweise hatte ich das Gefühl einem "Social Justice Warrior" Werbespiel zuzusehen. Gier und Streit sind böse, Fleisch essen ist böse, Religion ist böse, Heldentum ist böse (was Jespar dauernd sagt). Man bekommt ja doch reichlich eine ganz bestimmte Welt-Sicht aufgetischt, grundlegend nihlistisch (nichts hat einen Sinn) und teilweise sehr nach "Gutmenschentum" ausschauend. Es ist Machern natürlich unbenommen, in ihren Spielen "Lehren zu erteilen", gerne habe ich das in Spielen aber jetzt nicht unbedingt.
Warum setzen Menschen immer voraus, dass wenn etwas nicht gut ist es automatisch böse ist?

Religion ist nicht böse, sie ist nur einfach nicht gut - sie hat, wie alles im Leben, ihre guten Seiten und ihre Schattenseiten.

Enderal als Kontinent würde ohne Religion in eine Anarchie verfallen, da die Religion die Säule der Menschen ist - hast du dir z. B. mal die Predigt im Tempel in Flusshaim angehört?

In Nehrim gibt es einen fanatischen Schöpferkult der Religion für "böse" Zwecke benutzt und sich göttliche Vorherbestimmung auf ihr Banner schreibt.

Wie soll Religion gut sein, wenn sie Auslegungssache ist? Wie kann Religion böse sein unter demselben Gesichtspunkt?
Nein Religion ist einfach da - und wie sie angesehen wird ist komplett davon abhängig wer sie praktiziert und wer sie erfährt. Frag einen nehrimnesischen Magier der die Schattenseiten von Religion gesehen hat (sprich: Funkenschlag) und er wird Religion verteufeln; frag einen Bewohner Enderals und er wird dir sagen, dass für ihn Religion eine Lebensgrundlage und Grund zur Freude ist.
Fleisch essen ist böse
Auch hier nein - Fleisch ist eine Metapher; das versteht man aber erst, wenn man
PS: der Sinn des immer wiederkehrenden Hauses sein soll, in dem Leute brennen und wo "Vati" Holz hack
verstanden hat ;-)
Heldentum ist böse
Nein - wieder liegt das an der handelnden Person und zwar daran ob der Held reflektiert. Heldentum wird böse wenn der Held einfach nur das tut was ihm gesagt wird ohne für sich selber zu denken. (siehe der gesamte Dialog mit dem Schwarzen Wächer (und auch Jespars Vergangenheit)!)

Enderal hat eine Message - aber nicht die, die du denkst.

Um das Ganze zu verstehen rate ich dir, dass du dir zu dem was ich hier geschrieben hab auch eigene Gedanken machst :-)
1_Yui
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Ich habe gestern abend nach einer anstrengenden Prüfungsphase endlich wieder die Zeit gefunden, mich eine Nacht lang mehr an meinen Rechner zu setzen, mit dem Ziel diese Läuterung endgültig abzuwenden. Das Ziel, dabei zu entspannen und auf bessere Gedanken zu kommen, habe ich damit rückblickend wohl verfehlt.

Im Gegensatz zu elikal habe ich diese letzte Wendung nicht vorrausgesehen. Schlussendlich saß ich also da und sah zu, wie unversehens die Welt, die ich mir aufgebaut hatte, zerfiel. Es bleiben viele Fragen offen, und zu vielen scheint es keine Antwort zu geben.
Wie immer: Ließ es sich vermeiden? Vielleicht kann man ja irgendwo selbstständig einen Numinos auftreiben? Vielleicht habe ich einfach nicht genau genug gesucht?

Es kommt mir so vor, als würde mir eine Welt entrissen werden, die ich gerade erst zu lieben begonnen habe. Und eigentlich gibt es nur eine Lösung, so dämlich sie auch erscheinen mag. Die Hohen leben nur durch die Menschen, ohne sie haben sie keine Macht. Ohne den Propheten haben sie keine Macht. Es läuft auf eine logische Konsequenz hinaus: Wenn man sie nicht bekämpft, so existieren sie auch nicht.

Ich werde jetzt also meinen letzten Speicherstand vor der Läuterung laden. Den Sonnentempel verlassen, mein Haus fertig bauen, Enderal erkunden und diese letzte Quest tief in meinem Tagebuch vergraben. Und auch wenn das heißt, dass ich alle, die ich auf meiner kurzen Reise durch Enderal kennengelernt habe, im Sonnentempel hinter mir lassen muss, so bleibt doch die Welt bestehen, der Zyklus ist unterbrochen. Und vielleicht liegt doch irgendwo ein ungebrauchter Numinos? Es gibt nur einen Weg das herauszufinden.
Flensi
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Dies ist einer der wenigen Treads, den ich mir mehrmals durchgelesen habe, um zu der Kenntnis zu gelangen:
Ich traue mich hier einmal, meinen Senf dazu zu geben.

Der offensichtlich mit viel Empathie Gesegnete an Enderal Feedback gebende Threadersteller stellt seine Erfahrungen mit diesem Werk sehr pesönlich und ausführlich dar; und ich stimme ihm zu: Enderal wirkt auf den ersten Blick düster und - was das Ende/Fazit der Story angeht - nihilistisch.

Und auch ich stelle mir die Fragen:
Wozu dieses Spiel spielen / diese Erfahrung machen / die Story durchleben, wenn am Ende sowieso "alles egal ist" ?

Meine Antworten darauf?

1. (pragmatisch) Enderal ist ein kostenloses PC-Spiel/eine kostenlose Mod, die mir im tristen und langweiligen Real-Life Momente der Kurzweil beschert.

2. (philosophisch, aus Sicht des "Helden") Enderal zeigt mir, dass, egal welches Ende mich ereilt (im Real-Life ist das Ende der Tod), es Momente gibt, die wertvoll sind. Momente, für die es sich zu Leben lohnt.
Sei es, dass mir eine Gefährtin oder ein Gefährte sagt, sie "mag mich"; sei es, dass ich einen Gegner besiegt habe, dem ich in der Vergangenheit stets unterlegen war; oder sei es, dass ich - ganz profan - es geschafft habe, ein Haus zu kaufen und es einzurichten (Anm.: Heiratssript wanted! :P ).

Jeder hat seine eigene Lebensgeschichte und bildet sich aufgrund dieser eine Meinung zu seiner Umwelt (und damit auch zu Enderal, denn auch ein PC-Spiel gehört zur Umwelt dazu).
Wer noch keine Depressionen hat, der kann hier eine einfangen. Für labile Menschen mit Suzuidneigung jedenfalls kein Spiel, das man empfehlen sollte.
Aufgrund meiner Lebensgeschichte, die in der Vergangenheit (ist ein Jahrzehnt her) von akuten Suizidgedanken und chronischen Depressionen geprägt war, bin ich folgender Meinung: Ich bringe mich wegen Enderal nicht um, mir geht es nicht schlechter und nicht besser. Ich habe eine wirklich sehr schön geschriebene "Geschichte" erzählt bekommen, die mich zum Nachdenken anregt. Ich habe nach anstrengenden Arbeitstagen so etwas wie "Entspannung" in der der virtuellen Welt von Enderal finden können und:

Ich ziehe meinen informatischen/sozialen/philosophischen/religiösen/therapeutischen/politischen(!) Hut vor SureAI,

GREAT!
WORK!


edit: den humoristischen Hut hab ich doch glatt vergessen :) Ich hatte einige "LOL"-Erlebnisse...
elikal
Gauner
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@Caleb8900

Das mit dem Triple AAA ist natürlich nicht gerecht, das ist mir klar. Es war eher ein Kompliment, da es im Ganzen durchaus mit Triple AAA vergleichbar ist in Quali und Umfang.

Natürlich kann ein Spiel, das ich nicht bezahle per se machen was es will, bzw. was die Macher wollen. Das respektiere ich. Andererseits investiere ich natürlich Zeit und in meinem Fall jedenfalls "Seele" in ein Spiel. Von daher ist es auch keine Kritik, sondern nur eine Einzelmeinung, ein Feedback. ^^

Ja, Deus Ex is mir bewußt, aber da spielt man ja eher eine andere Person, der man über die Schulter schaut, als wie in einem klassischen RPG "sich selbst". Da erwarte ich, sagen wir mal, doch einen Einfluss, dass ein Ende durch mein Tun so oder so ausfallen kann. Dass aber die komplette Welt vernichtet wird (jedenfalls der Kontinent) und damit alles was ich tue sinnlos war, das finde ich schon sehr krass. Und rauszufinden, dass mich nichtmal gibt... das war schon ziemlich krass.

Wenn man die Story verdichtet wird es vielleicht deutlicher:

Du stirbst im Intro. Dein Charakter ist fake und den gibt es gar nicht. 80% aller Chars die du besser kennenlernst sterben während des Plots. Am Ende geht die Welt unter und die Bösen gewinnen.


Ich meine, letztlich betritt der Spieler die Welt nach dem Ende so oder so nie mehr. Ich war lange Zeit Schwarze Auge Meister und D&D Master, und weiß durchaus um die Dilemma zwischen Story einerseits und Freiheit für die Spieler andererseits. Je mehr Freiheit die Spieler haben, umso weniger kann der DM das Spiel einem fixen Ende zuführen. Für mich als Meister galt aber immer, dass die Spieler am Ende einer Story mit einem guten Gefühl nach Hause gehen sollten. Wenn ich in einem PC RPG als Char sterben, und viel Leid passiert, dann möchte ich eigentlich doch wenigstens, dass die Welt nicht gleich untergeht. Das fand ich bei aller Düsternis doch den Punkt, mit dem ich am Ende echt keinen Frieden machen konnte, weil es eben echt alles Tun im Spiel negiert hat.

Ich bin selbst kreativ tätig, ich schreibe Bücher, male Bilder und habe etliche Abenteuer für DSA und D&D im Laufe meines Lebens erstellt und gemeistert. Die Vorstellung aber, eine Welt zu erschaffen, mit viel Arbeit zu manifestieren und den Spielern/Lesern zu präsentieren, nur dass am Ende Armageddon stattfindet, das kann ich auch als kreativ Schaffender nicht nachvollziehen. Dagegen ist ja selbst GRR Martin mit Game of Thrones ein Amateur. ;)
elikal
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1_Yui hat geschrieben:
Ich habe gestern abend nach einer anstrengenden Prüfungsphase endlich wieder die Zeit gefunden, mich eine Nacht lang mehr an meinen Rechner zu setzen, mit dem Ziel diese Läuterung endgültig abzuwenden. Das Ziel, dabei zu entspannen und auf bessere Gedanken zu kommen, habe ich damit rückblickend wohl verfehlt.

Im Gegensatz zu elikal habe ich diese letzte Wendung nicht vorrausgesehen. Schlussendlich saß ich also da und sah zu, wie unversehens die Welt, die ich mir aufgebaut hatte, zerfiel. Es bleiben viele Fragen offen, und zu vielen scheint es keine Antwort zu geben.
Wie immer: Ließ es sich vermeiden? Vielleicht kann man ja irgendwo selbstständig einen Numinos auftreiben? Vielleicht habe ich einfach nicht genau genug gesucht?

Es kommt mir so vor, als würde mir eine Welt entrissen werden, die ich gerade erst zu lieben begonnen habe. Und eigentlich gibt es nur eine Lösung, so dämlich sie auch erscheinen mag. Die Hohen leben nur durch die Menschen, ohne sie haben sie keine Macht. Ohne den Propheten haben sie keine Macht. Es läuft auf eine logische Konsequenz hinaus: Wenn man sie nicht bekämpft, so existieren sie auch nicht.

Ich werde jetzt also meinen letzten Speicherstand vor der Läuterung laden. Den Sonnentempel verlassen, mein Haus fertig bauen, Enderal erkunden und diese letzte Quest tief in meinem Tagebuch vergraben. Und auch wenn das heißt, dass ich alle, die ich auf meiner kurzen Reise durch Enderal kennengelernt habe, im Sonnentempel hinter mir lassen muss, so bleibt doch die Welt bestehen, der Zyklus ist unterbrochen. Und vielleicht liegt doch irgendwo ein ungebrauchter Numinos? Es gibt nur einen Weg das herauszufinden.

Das ist vermutlich echt das Klügste. Sich das Ende umdenken. Das findet im Moment eh in meinem Kopfkino statt.


Was das Voraussehen betrifft. Ich habe mich an die Worte von Uncle Iroh aus "Avatar the Last Airbender" erinnert. Many people find their destiny on the road trying to avoid it. Das ist eigentlich eine uralte Story. Ödipus. (Googlen, ich berichte die Story jetzt hier nicht. ^^) Die Vorstellung, der Mensch ist unter einem Schicksal, und seine Versuche dem zu entkommen führen es überhaupt erst herbei, war in der Antike sehr verbreitet. Damals waren die Menschen sehr fatalistisch. Eine Haltung, die wir in der Moderne eigentlich weltanschaulich hinter uns gelassen haben. Insofern ist das Story-Telling des Spiels sehr "retro", wenn man 2000+ Jahre alte Vorstellungen mal so nennen will. Ich kann das achten, auch wenn ich der Schicksals-Idee persönlich nicht wohlwollend gegenüber stehe. GERADE Geschichten die wir uns erzählen sollten eher Mut machen, als "entmutigen".

Bei der Maschine kam mir schnell der Zweifel auf. Es hat mich ab der Mitte extrem frustiert, dass ich nie Fragen stellen konnte. Dann habe ich aber extrem viel gelesen in meinem Leben, da habe ich heute vielleicht eine andere Sicht und erkenne Muster eher, als "Otto-Normal-Gamer". Das sage ich nicht, um anzugeben, aber um selbstkritisch festzuhalten, dass da meine Sicht vielleicht sehr wenig repräsentativ sein mag. Würde mich mal interessieren, ob noch andere es geahnt haben. Dass gerade UNS eine Maschine rettet, die so viele andere auch schon kannten, und nie klappte es, das kam mir einfach super verdächtig vor. Zumal es nicht einen einzigen Hinweis gab, die Hohen hätten jemals etwas gemacht, außer zu Leuten zu sprechen.
1_Yui
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Rückblickend frage ich mich natürlich, wie das an mir vorbeigegangen sein kann. Vielleicht liegt es daran, dass ich mich weder mit antiker Literatur noch mit Avatar wirklich beschäftigt habe.
Aber da war immer die Hoffnung, dass diesmal etwas anders ist. Bis zur großen Wende dachte ich, dass hierfür die vermummte Frau steht: Nach unendlich vielen Zyklen bewirken die Wahrscheinlichkeiten nun endlich einmal, dass die Dinge anders kommen. Ich hatte es so verstanden, dass die Frau ein Bote für das Ende des Zyklus ist, oder zumindest als Symbol dafür, dass er dieses eine Mal durchbrochen werden kann. Schlussendlich hat sich das ja auch bewahrheitet, aber anders als ich vermutet hatte.
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Ich muss leider sagen, dass ich das ganze sehr ähnlich zu Elikal erlebt habe und für mich ab Worte der Toten der Rest der Geschichte ersichtlich war und es dann einfach keine Möglichkeit gab, die richtigen Fragen zu stellen; Gesprächsoptionen zu wählen.

Die schon oben erwähnten Deus Ex und Spec Ops, btw. eine der besten Umsetzungen von Herz der Finsternis, setzen ihre erzählerischen und philosophischen Themen anders um, wodurch das Erlebte sich nie so widersprüchlich anfühlte.

Ich muss aber auch sagen das ich schon viel gelesen, gesehen und gerne viel Zeit bei TV-Tropes and Idioms versenke. Das soll jetzt nicht heißen, dass ich von Enderal etwas komplett neues erwarte, aber ich will mich auch nicht vom Zaunspfahl gepfählt fühlen, dabei noch festgekettet zu sein und den Storyverlauf nicht wenigstens zu einem positiven Ende zu bringen. Auch wenn es gemein ist würde ich da jetzt zum Vergleich Malazan nehmen, dass mit Deadhouse Gates, Memories of Ice, Toll the Hounds und Dust of Dreams so ziemlich alle menschlichen Abgründe bis zum bitteren Ende auslotet, aber trotzdem den Leser mitgibt warum er weitermachen sollte, für welche Ziele es sicht trotzdem zu leben lohnt - Enderal fehlt dies in meinen Augen leider völlig. Auch die Eingangs gestellte Frage "Was unterscheidet einen freien Mensch von einem Sklaven?" wird nicht zu einer befriedigenden Antwort geführt; House of Chains und Midnight Tides liefern zwei komplett verschiedene, aber sehr zurfriedenstellende Antworten zur selben Frage.

Aber um das ganze auf einer positiven Note Enden zu lassen (^^), das Mapping vor allem die Bauernküste ist ein Traum, schon in Nehrim gehörte der Küstenabschnitt zwischen Erothin und Apfelwacht zu einer der besten geformten und sinnvoll gefüllten digitalen Landschaften, die ich kenne. Auch was an Spielmechaniken und Assets für die Quests genutzt wird ist vorbildlichst.
elikal
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1_Yui hat geschrieben:
Rückblickend frage ich mich natürlich, wie das an mir vorbeigegangen sein kann. Vielleicht liegt es daran, dass ich mich weder mit antiker Literatur noch mit Avatar wirklich beschäftigt habe.
Aber da war immer die Hoffnung, dass diesmal etwas anders ist. Bis zur großen Wende dachte ich, dass hierfür die vermummte Frau steht: Nach unendlich vielen Zyklen bewirken die Wahrscheinlichkeiten nun endlich einmal, dass die Dinge anders kommen. Ich hatte es so verstanden, dass die Frau ein Bote für das Ende des Zyklus ist, oder zumindest als Symbol dafür, dass er dieses eine Mal durchbrochen werden kann. Schlussendlich hat sich das ja auch bewahrheitet, aber anders als ich vermutet hatte.

Ok, auf die vermummte Frau habe ich auch bis zum Schluss gehofft. Dass sie, wenn man sich opfert, einen rausholt, oder sie die Maschine umkehrt oder irgendwas. Aber das war eher irrationale Hoffnung.


@R3per_Inc: Stimme dir voll zu, das Welt Design ist wirklich spitze.
1_Yui
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Nachdem ich jetzt nochmal etwas gegrübelt habe, komme ich zu einem recht ähnlichen Schluss wie elikal und R3per_Inc.
Ich denke es ist sehr wünschenswert, dass ein Spiel tiefgründig ist und auch unangenehme Fragen stellt. Aber man muss das ganze dann auch zu Ende führen und dem ganzen irgendeine Moral geben. Und vor allem muss man eine Wahl haben. Enderal gibt einem zwar eine Moral, aber nicht die Wahl, diese zu befolgen. Ganz am Ende hat man eine Wahl, aber nicht die, die man eigentlich schon vorher gerne gehabt hätte.
Die Story ist extrem gut, aber man sollte jemandem, der "hinhört" (wie es immer wieder so schön heißt), auch die Wahl geben.

Die einzige Wahl, die bleibt ist die, die ich schon erläutert habe:
Ist man "Sklave" der Geschehnisse und folgt dem Weg zur Läuterung? Oder handelt man als "freier Mensch" und lässt das Leuchtfeuer Leuchtfeuer sein, zieht von Dannen, und gibt dem Spiel einen eigenen Sinn?
Aber es kann ja nicht ernsthaft die einzig wahre Wahl sein, ob man die Hauptstory spielt oder nicht ^^
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