Dramaturgie der Rahmenhandlung
Verfasst: 28.12.2017 01:15
Für mich steht eins fest: Enderal hat wirklich eine umfassende Dramaturgie, und sie begeistert mich umso mehr, je länger ich darüber nachdenke, auf wievielen verschiedenen Abstraktionsebenen man die Geschichte sehen kann.
Jede Ebene scheint vollkommen unabhängig von den anderen zu sein, und es ist, als würden verschiedene Informationen im Spiel mehrere übereinandergelagerte Storys beschreiben, wo aber jede bereits für sich stehen könnte. Man könnte viele Elemente des Spiels und der Story weglassen, ohne dass man sie vermissen würde - dennoch sind sie enthalten.
Für mich gleicht alles einer Zwiebelschale - man kann eine Ebene verstehen und nachvollziehen und darüber reden ohne ins Tiefere vorzudringen
Ebene 1:
Der MC hat eine physische Ebene, und die Geschichte auch. Er handelt als typischer Held eines Epos und verändert seine Welt. Wir erleben die Handlung in einem Zyklus als seinen Tod, seine Verwandlung in einen Propheten und dessen Erleben in dem Verlauf der Geschichte. Man kann eine Geschichte so aufspannen und sie ist auch spannend. Genau genommen bedarf es hierfür keiner Rolle der Verschleierten Frau, keinem Alten Mann, keinem Schwarzen Wächter. Alle drei sind nur Beiwerk, die man durch viel profanere Dinge ersetzen könnte.
Ebene 2:
Aber SureAI haben mehr daraus gemacht. Sie haben dem MC auf der zweiten, seiner biographischen Ebene eine Geschichte gegeben. Sie verkörpert den Konflikt, den er in Bezug auf seine Familie mit sich herumträgt - und seine Suche. Auch das ist streng beschränkt auf einen Zyklus.
Ebene 3:
Dahinter entspinnt sich jetzt die Geschichte, dass der MC eine bestimmte Rolle einnimmt, die in jedem Zyklus wiederkehrt. Noch immer steht aber die plausible Annahme, dass der MC in nur einem Zyklus existiert. Man könnte es als epische Ebene bezeichnen. Das erklärt vieles der Abläufe, und es hilft beim Einordnen. Der Zyklus wird zu einem Symbol für den Aufstieg und Fall einer Zivilisation, die dahinterliegenden steuernden Kräfte lassen sich aber nur bedingt erklären. Wer der alte Mann ist und wer die verschleierte Frau und was die Motive der Hohen sind, wird nicht wirklich geklärt. Besonders seltsam ist die Rolle des Schwarzen Wächters. Warum?
Ebene 4:
Und es bleibt trotzdem, auch wenn man Ebene 3 soweit nachvollzogen hat, etwas unklar, was mir auch in den anderen Interpretationen etwas zu kurz kommt:
- Die Skills heißen "Erinnerungen".
- Der Satz "Was bedeutet schon Zeit..." im Intro. Und die Vorwegnahmen im Intro.
- "Alles beginnt mit den Träumen. Erinnert euch"
- Die Tatsache, dass dem MC die Maschine im Verlassenen Tempel "so seltsam bekannt vorkommt"
Für mich ist es nur auf eine Weise deutbar: Sofern man das Symbol des Propheten als eigenes Wesen sehen möchte, ist der MC dieses Symbol. Er lebt(e) in jedem Zyklus, und die Visionen sind echte Erinnerungen. Es ist die metaphysische Ebene, in der die Gesamtheit aller Zyklen und aller Welten selbst betrachtet wird. Mehr noch: Die Story der vielen Zyklen verläuft nicht wiederholend-kreisartig, sondern kommt in genau diesem Zyklus an einen entscheidenden Punkt: Zum ersten Mal in allen Zyklen findet der MC den Weg zum Schwarzen Wächter, ehe er vergeht. Die verschleierte Frau führt diese Progression ein - und der Schwarze Wächter erweist sich als die letzte Prüfung. Tatsächlich denke ich, ist das die einzige Bedeutung des Schwarzen Wächters: Er ist die Prüfung, die über den Fortgang der Geschichte entscheidet.
____________________________
Lasst mich an euren Gedanken dazu teilhaben
Achja: Welche kulturellen Quellen sind denn eigentlich in Nicholas Werk eingeflossen? Schriften von C.G. Jung - aber was noch?
Jede Ebene scheint vollkommen unabhängig von den anderen zu sein, und es ist, als würden verschiedene Informationen im Spiel mehrere übereinandergelagerte Storys beschreiben, wo aber jede bereits für sich stehen könnte. Man könnte viele Elemente des Spiels und der Story weglassen, ohne dass man sie vermissen würde - dennoch sind sie enthalten.
Für mich gleicht alles einer Zwiebelschale - man kann eine Ebene verstehen und nachvollziehen und darüber reden ohne ins Tiefere vorzudringen
Ebene 1:
Der MC hat eine physische Ebene, und die Geschichte auch. Er handelt als typischer Held eines Epos und verändert seine Welt. Wir erleben die Handlung in einem Zyklus als seinen Tod, seine Verwandlung in einen Propheten und dessen Erleben in dem Verlauf der Geschichte. Man kann eine Geschichte so aufspannen und sie ist auch spannend. Genau genommen bedarf es hierfür keiner Rolle der Verschleierten Frau, keinem Alten Mann, keinem Schwarzen Wächter. Alle drei sind nur Beiwerk, die man durch viel profanere Dinge ersetzen könnte.
Ebene 2:
Aber SureAI haben mehr daraus gemacht. Sie haben dem MC auf der zweiten, seiner biographischen Ebene eine Geschichte gegeben. Sie verkörpert den Konflikt, den er in Bezug auf seine Familie mit sich herumträgt - und seine Suche. Auch das ist streng beschränkt auf einen Zyklus.
Ebene 3:
Dahinter entspinnt sich jetzt die Geschichte, dass der MC eine bestimmte Rolle einnimmt, die in jedem Zyklus wiederkehrt. Noch immer steht aber die plausible Annahme, dass der MC in nur einem Zyklus existiert. Man könnte es als epische Ebene bezeichnen. Das erklärt vieles der Abläufe, und es hilft beim Einordnen. Der Zyklus wird zu einem Symbol für den Aufstieg und Fall einer Zivilisation, die dahinterliegenden steuernden Kräfte lassen sich aber nur bedingt erklären. Wer der alte Mann ist und wer die verschleierte Frau und was die Motive der Hohen sind, wird nicht wirklich geklärt. Besonders seltsam ist die Rolle des Schwarzen Wächters. Warum?
Ebene 4:
Und es bleibt trotzdem, auch wenn man Ebene 3 soweit nachvollzogen hat, etwas unklar, was mir auch in den anderen Interpretationen etwas zu kurz kommt:
- Die Skills heißen "Erinnerungen".
- Der Satz "Was bedeutet schon Zeit..." im Intro. Und die Vorwegnahmen im Intro.
- "Alles beginnt mit den Träumen. Erinnert euch"
- Die Tatsache, dass dem MC die Maschine im Verlassenen Tempel "so seltsam bekannt vorkommt"
Für mich ist es nur auf eine Weise deutbar: Sofern man das Symbol des Propheten als eigenes Wesen sehen möchte, ist der MC dieses Symbol. Er lebt(e) in jedem Zyklus, und die Visionen sind echte Erinnerungen. Es ist die metaphysische Ebene, in der die Gesamtheit aller Zyklen und aller Welten selbst betrachtet wird. Mehr noch: Die Story der vielen Zyklen verläuft nicht wiederholend-kreisartig, sondern kommt in genau diesem Zyklus an einen entscheidenden Punkt: Zum ersten Mal in allen Zyklen findet der MC den Weg zum Schwarzen Wächter, ehe er vergeht. Die verschleierte Frau führt diese Progression ein - und der Schwarze Wächter erweist sich als die letzte Prüfung. Tatsächlich denke ich, ist das die einzige Bedeutung des Schwarzen Wächters: Er ist die Prüfung, die über den Fortgang der Geschichte entscheidet.
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Lasst mich an euren Gedanken dazu teilhaben
Achja: Welche kulturellen Quellen sind denn eigentlich in Nicholas Werk eingeflossen? Schriften von C.G. Jung - aber was noch?