Ich kann verstehen, dass dieses "mitgehangen, mitgefangen" einen bitteren Geschmack hinterlässt. Es ist sicherlich nicht fair. Der Punkt ist bloß: Die Welt ist nicht fair. Frage dich doch selbst: Wenn du einen Flecken auf einem weißen Hemd findest, schneidest du den Flecken heraus und wäscht ihn für sich alleine, oder wirfst du das Hemd einfach in die Wäsche? Auch wenn der Großteil des Stoffes sauber ist, insgesamt bleibt es ein dreckiges Hemd. Mit der Menschheit ist es genau so, wenn ein Teil davon es verbockt, leidet auch der Rest. Der Atomkraftgegner wird nicht vom Fallout verschont. Bomben machen keine Umwege um Pazifisten. Veganer sind von der Wasserverschwendung, die durch die Massentierhaltung entsteht, nicht weniger betroffen als der Rest. Es nicht fair, aber logisch, dass am Ende alle den Preis zahlen.
Enderal ist, so weit man das über ein Fantasysetting sagen kann, ziemlich realistisch gestrickt. Ja, es gibt fantastische Kreaturen und Magie, aber die Motive und Konsequenzen im Spiel orientieren sich in vielerlei Hinsicht an der realen Welt. Einer der wichtigsten menschlichen Widersacher wendet beispielsweise Gewalt an, weil er ernsthaft überzeugt ist, dass er das Richtige tut, nicht einfach nur "for the evulz". Visionen werden von der Umwelt in Frage gestellt und nicht einfach ohne jede Skepsis geschluckt, wie in so manch anderem Spiel. Und wenn etwas aller Wahrscheinlichkeit übel enden wird, schlägt das Spiel keine Haken, um doch noch zu einem positiven Ausgang zu gelangen. (Ich fand es übrigens beeindruckend, wie das Team von Enderal selbst in kleinen Dingen darauf geachtet hat, dass es keine allzu großen Logiklücken gibt. Zum Beispiel ist es in alten Ruinen auch tatsächlich so dunkel, dass man eine Lichtquelle benötigt, es liegt im Gegensatz zu Skyrim nicht überall Zeug herum, so dass man sich fragen muss, warum es überhaupt noch Bettler gibt, und Wölfe greifen nicht einfach so regelmäig Leute an, sondern weil sie unter einer Krankheit leiden. Oh, und darf ich übrigens meinen speziellen Dank äußern, dass auch die weiblichen Charaktere vernünftige Rüstungen tragen? Diese... Metallbüstenhalter aus Skyrim taten mir als Frau schon beim reinen Anblick weh.)
Aber ich schweife ab. Was ich jedenfalls ausdrücken wollte, war, dass ich es ebenfalls bitter und unfair finde, dass alle von der Läuterung betroffen sind, zugleich aber folgerichtig. Ein "die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen"-Ende würde meiner Ansicht nach an den Haaren herbeigezogen wirken. Das ist eher eine religiöse Idee, Himmel und Hölle, und obwohl Religion in dem Spiel eine große Rolle spielt, habe ich nicht den Eindruck, dass die Geschichte in erster Linie nach einem religiösen Konzept gestrickt ist, sondern eher einen psychoanalytischen Faden verfolgt. Kollektive Erinnerung, fixe Rollen, die Bezeichnung "Numinos", die Symbole, das klingt alles sehr nach Jung, während in den ganzen Vater-Kind-Konflikten eine gehörige Portion Freud mitzuschwingen scheint. (Was vielleicht die Frage aufwirft, ob man die Geschichte nicht besser als eine Art gigantische Metapher auffassen sollte.) Das ist keine Gedankenströmung, die auf Dualismen wie gut/böse und Belohnung/Bestrafung besondern, sondern mehr mit Wirkung und Ursache. Auch was an religiöser Färbung zu finden ist, scheint mir mehr den Mythen polytheistischer Religionen zu entspringen, als den klassischen monotheistischen Themen, allen Kreuzen zum Trotze: Götterdämmerung, goldenes Zeitalter, Hybris, Prometheus, und so weiter.
...ich schweife schon wieder ab, oder? Und interpretiere vermutlich auch viel zu viel hinein. Dennoch bleibe ich dabei, ein Ende, das nur die "schlechten" Menschen bestraft, fände ich aufgesetzt.
PS: Übermäßige Vertipper oder wirre Formulierungen bitte ich zu verzeihen, der Beitrag wurde von einem heillos übermüdeten Menschen verfasst, der einfach nicht einschlafen kann.