Downgrade-Skandale und die Grafik vs. Gameplay-Debatte

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Metanoeite
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Bugs in Spielen haben nichts damit zu tun dass Engines weiterentwickelt werden. Bugs sind ein normale Nebenprodukte der Softwareentwicklung, die nicht vermeidbar sind. Habt ihr schon mal ein Projekt mit millionen Zeilen Sourcecode verwaltet? Niemand kann vorher abschätzen, wieviele Bugs in einem Spiel stecken. Manchmal hilft sorgfältige Planung auch nicht. Es ist eine Software, kein Klappstuhl, der überschaubar planbar in seiner Herstellung ist.

Aber Bugs in Games sind nichts neues. Die Gamerschaft hat gefühlt den Eindruck, dass verbuggte Releasespiele zugenommen haben, aber irgendwie kann ich das nicht bestätigen. Wie viele bis zur unspielbarkeit verbuggte (gibts heute selten!) Spiele ich in Kindheit und Jugend gekauft habe ist auch nicht feierlich. Nennen wir mal Soeldner, oder das Siedler 3 Addon (völlig unspielbar), oder die ungepatchte Version von Gothic 3. Auch Gothic 1 war auch nicht ohne. S völlig kaputte Spiele gibts heute eigentlich selten, es hat sich bei der Organisation der Entwickler vieles verbessert.

Dass man sich oft nicht die Zeit für eine lange Betaphase nimmt finde ich nicht gut, aber da ich auch die Umstände davon kenne kann man es oft auch verstehehen. Die finanziellen Hintergründe spielen dabei eine große Rolle.
Die haben wir bei Enderal zum Glück nicht und genau das ist der Grund warum wir hier kein spezifisches Releasedatum festlegen. Niemand von uns weiß genau, auf wieviele Bugs die QA stoßen wird oder wie lange ihre Behebung dauert.

Ich finde diese "Die wollen nur noch mehr Kohle machen"-Mentalität immer etwas fragwürdig und engstirnig. Bugs sind eher den schlechten Umständen geschuldet als den Dollarzeichen in den Augen der Entwickler. Ich möchte nicht rechtfertigen, dass Entwickler unfertige Produkte veröffentlichen sollen, aber ich weiß dass es manchmal nicht anders geht und das der Vorwurf nur auf schnelles Geld angewiesen zu sein oft nicht stimmt. Ich stell mal eine kurze Hochrechnung auf, damit ihr verstecht was ich meine.

Die meisten Spiele erwirtschaften keinen Gewinn. Die großen IPs tun das. Deshalb versuchen Entwickler neue IPs aufzubauen die mit den Einnahmen der bekannten IPs querfinanziert werden, weil anfangs defizitär. Als Beispiel: Bethesda versucht das konsequent und steckt die Einnahmen von Skyrim und Fallout in die Entwicklung neuer Marken wir The Evil Within, Brink, TESO oder Rage. Und bis auf The Evil Within waren das alles Verlustgeschäfte, wenn man die bekannten Verkaufszahlen mit dem Budget solcher AAA-Spiele vergleicht. Und gerade bei unbekannten Spielen (wie Gothic 1 es zu seiner Entwicklung war) kann eine Releaseverzögerung bedeuten mit dem Spiel nie einen realistischen Break Even zu erreichen, bei dem das Spiel seine Kosten deckt (und noch keinen $ Gewinn erwirtschaftet hat!). Bei einer Releaseverzögerung steigt also das Risiko erheblich dass die Entwicklung ein Minusgeschäft wird. Eine AG, speziell wenn sie an der Börse gelistet wird, kann das einfach nicht tun.
Und auch private Gesellschafter gehen damit das Risiko ein, den eigenen Laden schließen zu müssen, was dann Patches auch unmöglich macht. Man betrachte insbesondere die hohe Insolvenzquote kleinerer Publisher und Entwickler mit wenigen IPs.
Hier muss man auch zusammenrechnen, was eine Releaseverzögerung abgesehen vom Gehalt der Entwickler kostet. Da kommt einiges zusammen.
Jeder Publisher hat einen Wasserkopf, der wenige Monate vor Release eines Spiels aufgebaut wird. Das sind Übersetzerteams, Marketingteams, Distributionsspezialisten. Marketing muss langfrisitg aufgebaut werden, um eine gute Sichtbarkeit zu erreichen, und die Kampagne wir dauf das Releasedatum ausgelegt. Verschiebt sich dass, muss das Marketing eine komplett neue Strategie umsetzen, mit neuen Trailern etc. Wenn man bedenkt, dass das Marketingbudget (so groß wie die Entwicklungskosten selbst in den meisten Fällen), nur in wenigen Monaten verfeuert wird, kann eine Verschiebung um wenige Monate die Marketingkosten verdoppeln. Und wenn die Marketingkampagne gebucht wird und anläuft, steckt das Spiel noch mitten in der Entwicklung und geht davon aus, dass man es bugfrei releasen kann.
Dasselbe lässt sich zur Distribution sagen. Als Publisher hast du natürlich Monate zuvor die Presswerke für deine DVDs gebucht, da so etwas nicht kurzfrisitg geht. Das musst du verschieben. Da das Presswerk sein Fließband für dich freigehalten hat bezahlst du trotzdem, und die neue Bestellung beim tatsächlichen Release natürlich auch. Doppelte Kosten.

Da die Entwickler weiter am Spiel arbeiten musst du natürlich auch die Übersetzerteams für alle zehn Sprachen weiter unterhalten.
Und die Entwickler selber machen nur noch Überstunden, also steigen auch hier die Kosten rapide - So kann eine Releaseverzögerung um ein paar Wochen die Kosten explodieren lassen, gerade bei Titeln mit massiven Marketingbudget wie Assassins Creed.

Man sieht, dass die Kosten für eine Releaseverzögerung nicht linear anwachsen, sondern exponentiell. Alle diese Kosten werden auf das eine Spiel umgelegt bis zur wirtschaftlichen unsinnigkeit. Das kann man machen, wenn man ein Spiel in Entwicklung hat dass sich verkauft wie geschnitten Bort. Und beim dritten Witcher war das der Fall. Bei einem Gothic 1, das vor Release völlig unklar war und die Entwickler nicht wussten dass es sich später überraschend gut verkauft, hätten sie die Insolvenz der Firma riskiert. Man darf dabei nicht vergessen, dass nur 5% aller Spiele profit abwerfen.

Ich hoffe dass ihr versteht was ich meine. Ich finde es auch beschissen, wenn Spiele unfertig veröffentlicht werden. Aber ich weiß auch, dass verbuggte Spieler meistens den Umständen geschuldet sind und nicht in der Absicht, dem Kunden unter Vorsatz ein schlechtes Produkt zu verkaufen um die Gewinne zu steigern. Viel mehr erscheinen Spiele unfertig, um keinen Verlust zu machen, und gerade kleinere Publisher können sich keinen Verlust leisten ohne insolvent zu gehen.

Die meisten Spiele haben einfach nicht den finanziellen Spielraum um eine Releaseverzögerung zu ermöglichen. Selbst bei einem Spiel das Jahre in Entwicklung ist kann eine Releaseverschiebung von wenigen Monaten kurz vor Release die Kosten verdoppeln. Wir werden also damit leben müssen dass immer wieder Titel erscheinen, die erst durch Patches fehlerfrei werden.

Ob man nicht auch Gewinn verschenkt, weil man Spiele unfertig veröffentlicht und Kunden das Spiel nicht mehr kaufen? Natürlich tun sie das. Aber die Publisher wissen, dass die Kosten für eine Verschiebung höher sind als die Verluste durch einen verbuggten Release. Die meisten Gamer kaufen trotzdem.

Das klingt vermutlich unglaublich zynisch, aber es ist so. :D

Letztendlich kann ich sagen: Wie gut dass es diesen finanziellen Zwang bei Enderal nicht gibt. ;)
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