So, jetzt klinke ich mich auch mal ein
Dass ich mit der aktuellen Spielebranche unzufrieden bin, steht außer Frage. Aber je mehr ich darüber nachdenke, desto weniger kann ich irgendwem die Schuld oder Verantwortung dafür aufdrücken, jeder macht halt "das, was sinnvoll ist". Anstatt hier also gegen Entwickler, Spieler oder sonstwen zu gehen, gehe ich mal auf die mMn wichtigsten Probleme ein:
1. Die Erwartungen der Spieler
Es fängt schon bei der Grafik an. Die meisten Spieler, so habe ich das Gefühl, würden sich komplett weigern, ein Spiel zu spielen, welches matschige Texturen und holperige Animationen hat. Ist es ein altes Spiel, können manche "Retrofans" noch drüber hinwegsehen, aber bei einem aktuellen Spiel? "Bääh die Grafik ist Mist!". Außer natürlich, es ist indie-Pixelgrafik. Dann muss es wie Minecraft aussehen.
Nun: Gameplay. Es gibt halt bestimmte "Standards", wie sich ein Actionspiel oder ein Rennspiel spielen sollte, damit es halbwegs gut ankommt, weil schon eine vom Üblichen abweichende Tastenbelegung gestraft wird. Und wehe, es gibt kein Open-World und Rollenspielelemente! Achievements und Freischaltbares wär natürlich auch noch nett, schließlich wollen gerade im Multiplayer die fortgeschrittenen Spieler zur Motivation noch Stärkere Ausrüstung und Waffen freischalten... damit sie... noch stärker sind... wait... (auf das Thema Quake/Doom/UT vs. Call of BattleDuty gehe ich hier mal nicht näher ein).
Ach, und die Story soll bitteschön auch mit Bombast inszeniert sein! Und es will auch kein Spieler durch Wendungen und Tiefgang, der ein aufmerksames Spielen und verfolgen aller Dialoge erfordern würde, verwirrt werden. Quests, bei denen eine Questbeschreibung, ein Buch oder ähnliches an
Text gelesen werden muss, dürfen jetzt auch nicht sein. Am besten Gut und Böse farblich trennen...
Edit: Obiges ist natürlich eine sehr sarkastische Darstellung aus der Sicht eines nicht-casual-Spielers^^
2. Überfrachtete Spiele
...und weil Spiele mit Bombast-Grafik, Orchestersoundtrack und tonnenweise polishing natürlich außerordentlich teuer sind, müssen Gameplay, Story und Innovation zwangsläufig leiden, damit man noch die nötigen Einspielergebnisse bekommt. Marketing ist auch wichtig, jeder versucht den nächsten mit noch beeindruckenderen Trailern zu überbieten; das Überangebot an Spielen sowie Spielezeitschriften/webseiten macht auch auffällige und intensive Werbung nötig. Noch mehr Kosten. Es bleiben die großen AAA-Milliardentitel, der Casual- und der Indie-Markt.
Bei Casual-Mobile-Spielen siehts eigentlich genau wie bisher geschildert aus, nur dass die Grafik meist in 2D oder comic-3D gehalten ist, an jeder Ecke Micropayments locken und der Inhalt extrem zurückgeschraubt wurde, um die Entwicklungskosten in Schach zu halten.
Und der großartige, freie Indie-Markt? Hier gibts tatsächlich einige tolle Spiele zu entdecken, die gelegentlich erfolgreich werden, vieles sind aber auch bloß Klone von Vorhandenem oder eine außerordentlich strikte Anwendung der Designregeln, wie sie an Unis gelehrt werden. Einheitsbrei incoming. Aufgrund der geringen Verkaufszahlen gibts auch fast nur Digitalverkauf (den ich kritisch sehe).
3. Rechenstarke Hardware
Das mag jetzt etwas komisch klingen, aber einen großen Beitrag zur heutigen Situation hat die Hardware geleistet. In der Zeit der 8-bit-Konsolen waren NPCs halt nur schlichte Pixel-Sprites, Animationen waren höchstens spärlich möglich, Dialoge nur mit Textausgabe möglich, der Soundtrack durchs kreative Programmieren der jeweiligen Soundchips geprägt. Ein Team aus 3 Leuten konnte ein Spiel innerhalb einiger Monate entwickeln, wobei das Budget hauptsächlich für die Lohnkosten der Entwickler und ggf. die Studioausrüstung/miete benötigt wurde.
Es war schlichtweg einfacher, ein Spiel zu entwickeln. Heute ist die Hardware unglaublich leistungsfähig, und zumindest im AAA-Bereich ist es quasi undenkbar, technisch nicht alles aus der Hardware herauszuholen und sich somit von der Konkurrenz abzusetzen. Das nächste "Call of Duty" mit einer Grafik Anno 2003? Undenkbar. Da kann der Rest noch so gut umgesetzt sein, das wäre der Spott des Spielerschaft.
Ich persönlich träume ja davon, dass Nintendo einen neuen GameBoy rausbringt, mit dem alten, unkaputtbaren ABS-Gehäuse, stromsparender Hardware (damit 2 AA-Batterien auch 20 Stunden halten) und einem generell "offenen" System, welches es kleinen Studios einfach und ohne großen finanziellen Aufwand ermöglicht, Spiele zu entwickeln. Steckkarten mit Flash-Speicher sind billig, sodass sie als Trägermedium geeignet wären. Kein Wlan, kein Lithium-Akku, kein Touchscreen, keine Kamera. Einfach nur eine Handheld-Konsole zum spielen. Spiel rein, anschalten, spielen.