Wir haben uns bei Nehrim bezüglich der Größe ein wenig übernommen. Es gelang zwar, das riesige Gebiet abwechslungsreich zu gestalten, die Füllung mit spielerischen Inhalten war aber dünn gesäht. Theoretisch hätte der Platz des Mittelreiches ausgereicht, um alle spielerischen Inhalte Nehrims unterzubringen. Von 4 Jahren Entwicklungszeit verbrachten wir mindestens 3 Jahre zur Gestaltung der gewaltigen Landschaft, der Pathgriderstellung und die Füllung der Landschaft mit Gegenständen und Monstern. Für Quests blieb nicht mehr viel Zeit. Diesen Fehler wollen wir nicht mehr begehen. Trotzdem haben wir nun mehr Levelbauer im Team als das beim Start Nehrims der Fall war. Wir gehen also davon aus, die Landschaftserstellungsphase wesentlich schneller abschließen zu können. Projekt 5 wird deshalb eine kleinere Landmasse bekommen - gleichzeitig aber mehr spielerische Inhalte bei einer hoffentlich kürzeren Entwicklungszeit.Ich kann verstehen, dass für das Entwicklerteam die reine Arbeit an der Landschaft nicht mehr so viel Zeit fressen und die Arbeit an Inhalten nicht darunter leiden soll. Dass es in Nehrim gewisse Gebiete gab, die sich "leerer" anfühlten als andere, habe ich beim Spielen teilweise auch empfunden. Schade fände ich es allerdings, wenn durch eine kleinere Karte auch ein bestimmtes Gefühl von Weite leidet, das meiner Meinung nach einen besonderen Reiz von Open World-RPGs ausmacht.
Den Knackpunkt sehe ich im Verhältnis von zivilisierten zu unzivilisierten Gebieten. Dass ein bevölkertes Gebiet mit Städten, Dörfern etc. eine gleichbleibende Inhaltsdichte haben sollte, ist klar. Wenn man die Zivilisation verlässt, muss man aber nicht an jeder Ecke eine Begegnung oder eine Quest erwarten. Statt einer generellen Verkleinerung fände ich da eher eine Verdichtung der Zivilisationsgebiete und eine Ausdehnung der unerschlossenen Weltgegenden gut, bei insgesamt etwa gleicher Größe der Weltkarte. Die Chance dabei ist unter anderem, gefährliche Zufallsbegegnungen innerhalb der bewohnten Gebiete noch stärker als schon in Nehrim gering zu halten und damit auch die Glaubwürdigkeit der Reisewege von „Normalbürgern“ der Welt zu erhöhen.
Es gab in Nehrim wunderbare Reisen zu entlegenen Orten – Treomar, Vulkanströme, Meerestor etc. –, die durch verlassene und gefährliche Gebiete führten. Weitere „Inhalte“ oder Quests habe ich dabei nie vermisst, die Reise an sich hatte einen eigenen Wert – und hätte für meinen Geschmack oft ruhig noch etwas länger dauern können. Auch das Erforschen von Gegenden, die noch weiter draußen liegen, finde ich interessant, selbst wenn man kaum etwas findet. Es muss ja nicht jeder Spieler so machen, aber für solche, die gerne die offene Welt bis in den letzten Winkel erkunden, ist dann ein kleiner Schatzfund oder ein Easter Egg irgendwo an einem der äußersten Zipfel der Welt genug Belohnung. Zu den frustrierendsten Erlebnissen bei einem RPG gehören unsichtbare Mauern oder die Meldung „Hier geht’s nicht weiter“. Oft gibt es schon beim ersten Betrachten der Weltkarte eines Spiels den Kitzel, irgendwann mal die Ecke dort ganz weit draußen erkunden zu können. Und die aktuellen grafischen Möglichkeiten der Weitsicht erlauben es ja auch im Spiel, solche „Fluchtpunkte“ zu entwickeln. Die können dann auch gerne ein Vielfaches von den Reisewegen zwischen normalen Städten entfernt sein, was auch wieder die Glaubwürdigkeit von „vergessenen“ oder „legendären“ Orten erhöht. Falls diese Distanzen dann eine gewisse Reiseplanung (Ausrüstung etc.) erfordern – umso besser! Große Distanzen nerven ja erst, wenn man z. B. durch öde Botenquests gezwungen wird, ständig hin- und herzulaufen, und so etwas wird es ja in P5 wohl genauso wenig geben wie in Nehrim.
Ein Beispiel aus Morrowind: Wenn man – ganz grob – Linien zieht zwischen Ald’ruhn, Dagon Fel, Sadrith Mora und Molag Mar, hat man ein riesiges Gebiet umrissen, in dem es sehr wenig Zivilisation gibt. Ich denke, dass ein großer Reiz von Morrowind in der Verlassenheit und Einsamkeit lag, die der Spieler in diesen Gebieten empfunden hat – und auch in dem Gefühl des nach-Hause-Kommens bei der Rückkehr in eine der Städte.
Klar kann man entlegene Orte völlig aus der Landkarte entfernen, so dass sie nur durch Teleportation zu erreichen sind. Man kann Orte auch durch magische Barrieren abschotten. Beides in Nehrim geschehen, und ich freue mich auch bei P5 wieder auf solche Dinge. Aber das pure räumliche Erschließen über den Faktor Entfernung ist etwas Eigenes, das nicht zu kurz kommen sollte. Ich fände es auch nicht schlecht, wenn es Gebiete gibt, in denen ansonsten übliche Teleportationsmöglichkeiten nicht mehr funktionieren, so dass auch dieses letzte Gefühl von Sicherheit dahin ist. Mit den neuen Möglichkeiten der Landschaftsgestaltung wünsche ich mir auch noch extremere geographische Eigenheiten und Barrieren in der Landschaft – schwer zugängliche, versteckte Täler z. B.
So weit erst mal meine Gedanken dazu. Bin mal gespannt, ob ich mit diesen Ansichten eher alleine dastehe oder ob es auch andere Freunde der „langen Wege“ gibt.